ZFU-Zulassung nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) ja oder nein? Für viele Anbieter von Online-Kursen, Online-Coaching oder vergleichbaren Angeboten, die sich mit dem BGH-Urteil vom 12.06.2025 auseinandersetzen, fühlt sich das gerade an wie die Wahl zwischen Pest und Cholera:
- Entweder das Business durch eine Zulassung bei der Staatlichen Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) absichern (mit beträchtlichem Aufwand an Zeit und Geld)
- Oder riskieren, dass die Verträge nichtig sind, wenn sie die Merkmale des FernUSG erfüllen.
Was wäre, wenn es eine dritte Alternative gäbe?
Genau dazu habe ich mir in den letzten Tagen viele Gedanken gemacht und möchte diese heute mit dir teilen.
Disclaimer: Das ist keine Rechtsberatung. Das ist kein Patentrezept, das sich unbesehen anwenden lässt. Sondern der Beitrag ist gedacht als Inspiration, den Blick zu weiten, neu auf die Situation zu schauen und dadurch eigene zukunftsfähige Lösungen zu entwickeln.
Die wichtigsten Takeaways vorab:
- Das BGH-Urteil vom 12.06.2025 zum FernUSG stellt viele Anbieter von Online-Kursen und sonstigen Angeboten von Online-Wissensvermittlung vor die Entscheidung, ob sie für ihre Angebote die ZFU-Zulassung einholen oder versuchen, sie ohne das Zulassungsverfahren juristisch "safe" zu machen. Das kann sich anfühlen wie die Wahl zwischen Pest und Cholera.
- Während es wichtig ist, diese Überlegungen jetzt sorgfältig durchzuführen und außerdem für mögliche Ansprüche aus der Vergangenheit Rücklagen zu bilden oder aufzustocken, ist die ZFU-Zulassung nicht der Garant für dein zukunftsfestes Business. Dazu braucht es nicht nur den Blick auf die juristische Seite, sondern auch auf den Markt.
- Durch KI hat sich der Markt grundlegend gewandelt. Wissenserwerb wird unwichtiger. Umsetzungserfolg gewinnt an Bedeutung.
- Das Fallbeispiel zeigt, wie ein großer Anbieter diese Marktveränderungen zum Anlass nahm, das Business komplett neu auszurichten. Alle Kurse wurden vom Markt genommen. Stattdessen wurde die eigene KI mit den Kursinhalten, sonstigem Content, den Frameworks und weiterer IP (Intellectual Property/geistiges Eigentum) trainiert. Und die neuen Leistungen sind KI-basierte Leistungen, die auf schnelle und erfolgreiche Umsetzung zielen.
- Das muss nicht ein passendes Modell für dich sein. Doch es kann als Anregung dienen, aus dem Dilemma "Pest oder Cholera" hinauszukommen, den Blick zu weiten, dein Geschäftsmodell als Ganzes anzugehen und dich zukunftsfest auszurichten - und möglichweise "nebenbei" aus dem Geltungsbereich des FernUSG herauszuwachsen.
FernUSG, ZFU-Zulassung, BGH-Urteil - Worum geht es?
Falls du mit der Thematik schon vertraut bist, kannst du diesen Abschnitt überspringen. Für alle anderen ein kurzer Überblick (s. auch mein Beitrag zum BGH-Urteil und zum ganzheitlichen Vorgehen)
Fernunterricht im Sinne des § 1 Abs. 1 FernUSG ist die auf vertraglicher Grundlage erfolgende, entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, bei der der Lehrende und der Lernende ausschließlich oder über wiegend räumlich getrennt sind (Nr. 1) und der Lehrende oder sein Beauftragter den Lernerfolg überwachen (Nr. 2).
Wenn alle diese Voraussetzungen erfüllt sind, bedarf der Vertrag der Zulassung durch die Staatliche Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU).
Fehlt diese, ist der Vertrag nichtig und der Kunde kann sein Geld zurückverlangen.
Mit Urteil des Bundesgerichtshofes vom 12.06.2025 (III ZR 109/24) wurden einige Punkte klargestellt, die bisher von verschiedenen Gerichten unterschiedlich beurteilt wurden. Unter anderem, dass das Gesetz auch gegenüber Unternehmern gilt und Erläuterungen zur räumlichen Trennung und Lernerfolgskontrolle.
Lesetipp:
Mein Artikel zum BGH-Urteil wird laufend upgedated und um Stellungnahmen von Anwälten ergänzt. Er enthält u.a.
- eine genaue Übersicht der Punkte, die durch den BGH entschieden wurden
- ein Interview mit einer Einrichtungsberaterin über ihre Erfahrungen bei der Zulassung ihres Kurses durch die ZFU
- unternehmerische Anregungen, mit der Situation umzugehen.
Lösungen finden für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
- Vergangenheit: Falls deine Verträge nichtig waren, können noch nachträglich Rückzahlungsansprüche auf dich zukommen unter Berücksichtigung der 3-jährigen Verjährungsfrist. Du kannst Geschehenes nicht ungeschehen machen. Was du tun kannst: Dein Rücklagenpolster aufstocken.
- Gegenwart: Hier geht es um die Prüfung deiner aktuellen Angebote und ggf. die Entscheidung, ob du eine ZFU-Zulassung beantragen willst bzw. für welche deiner Angebote, ob du deine Verträge ändern willst oder ob du keinen Handlungsbedarf für sich siehst. Das sind aktuell sehr wichtige Themen und du solltest sie sorgfältig für dich prüfen und entscheiden. Wichtig: Es kommt immer auf die Umstände des Einzelfalls an.
- Zukunft: Selbst wenn du eine ZFU-Zulassung hast, hat das mehr zu tun mit einer Konservierung der Vergangenheit als mit einem zukunftsfähigen Geschäftsmodell. Denn wir sind mittlerweile angekommen im Zeitalter der KI. Und das ändert alles. Gleichzeitig kann das eine Chance sein, dem Dilemma "Pest oder Cholera" zu entkommen und einen dritten Weg zu finden, der dein Business zukunftsfest macht und dich aus dem FernUSG herauswachsen lässt.
Die ZFU-Zulassung macht dein Business nicht zukunftsfest
Was besagt die ZFU-Zulassung?
Was genau bedeutet die ZFU-Zulassung? In den FAQ der ZFU heißt es dazu:
"Die ZFU-Zulassung bestätigt, dass ein Lehrgang den Anforderungen des FernUSG entspricht, d.h. dass Lehrgänge fachlich und didaktisch geeignet sind, das Lehrgangsziel zu erreichen, und die geltenden Rechtsvorschriften eingehalten werden. Dazu gehört die Entscheidung, dass der Fernunterrichtsvertrag und die Informationsmaterialen den gesetzlichen Anforderungen entsprechen."
Was hat sich geändert seit den 70er Jahren (Inkrafttreten des Gesetzes)?
Der damit bezweckte Verbraucherschutz ist wichtig, sowohl in den 70er Jahren, als das Gesetz entstand, als auch heute noch.
Doch zum einen sah Fernunterricht in den 70er Jahren (= vor dem Zeitalter des internets) anders aus als heute, ein halbes Jahrhundert später.
Und außerdem sind wir jetzt im Zeitalter der KI angelangt. KI ist ein Game Changer ungesehenen Ausmaßes.
Welche neuen Fragen stellen sich durch das Auftreten der KI?
Für mich stellt sich die Frage: Welche Bedeutung haben Kurse und Wissensvermittlungs-Programme noch im Zeitalter der KI?
- Wissen steht frei zur Verfügung. Die KI liefert es dir. In Sekunden.
- Wissen veraltet schnell. In fast allen Themenbereichen (abgesehen von Evergreen-Grundlagenwissen)
- Wollen deine Kunden Wissen? Oder wollen sie Lösungen?
Fallbeispiel: Weshalb ein Anbieter alle Kurse vom Markt genommen hat - und was er stattdessen anbietet
Am 22.05.2025 besuchte ich ein Webinar, gehalten von Ryan Deiss von DigitalMarketer.
Für mich war es ein historischer Moment. Es war der Moment, wo ich erkannte (und es im ganzen Körper spürte), wie im Zeitalter der KI jedes Business ganz neu gedacht werden muss.
Ryan Deiss und DigitalMarketer
Vor 20 Jahren gründete Ryan Deiss DigitalMarketer. Gleichzeitig war er in anderen Unternehmen engagiert, wo er die Marketingmethoden anwandte, die er in DigitalMarketer in Form von Kursen, Zertifizierungen, Playbooks usw. unterrichtete.

Screenshot v. 25.07.2025 https://go.digitalmarketer.com/fom-replay
Weshalb sie ihre Kurse vom Markt genommen haben
- Veränderungen bei Kunden und am Markt: Immer weniger Zeit und Geduld, sich Wissen anzueignen, das zudem schnell veraltet. Außerdem besteht immer mehr der Wunsch, nicht nur das Wissen zu erhalten, sondern auch die Umsetzung.
- KI als Lösungsanbieter: KI liefert nicht nur Wissen, sondern setzt es auf Wunsch auch um.
- Persönliches Erlebnis von Ryan Deiss: Mit einem 6-stündigen Kurs konfrontiert, für den er nicht die Zeit hatte, gab er die Materialien in ChatGPT ein. Und hatte binnen 2 Stunden konkrete Ergebnisse (Texte und mehr)
Die strategische Entscheidung: Nicht mehr die Kurse zu verkaufen, sondern KI-Leistungen auf Basis ihrer Kurse, Frameworks etc.
- Eigene KI trainieren: Mit ihren Kursen, ihrem Content, ihren Frameworks etc.
- KI-basierte Leistungen anbieten: Zunächst Assistenten, später weitere Ausbaustufen
- Wettbewerbsvorteil: Wer ihre KI-basierten Leistungen kauft, bekommt eine besonders gut ausgebildete KI, ausschließlich gestützt auf ihre eigene IP (Intellectual Property/geistiges Eigentum). Und nicht nur Wissen, sondern auch die Umsetzung. Und das in einem Bruchteil der Zeit, die für das Durcharbeiten eines Kurses nötig wäre.
Die Aufzeichnung des Webinars steht noch zur Verfügung. Sehr empfehlenswert (vor allem die ersten 30 Min.)
Was du aus dem Fallbeispiel mitnehmen kannst für dein zukunftsfestes Business (mit wichtigen Fragen)
Wie bereits erwähnt: Es geht hier nicht um ein Rezept, das für alle passt. Doch es geht um strategischen Weit- und Rundumblick.
Denn im Zeitalter der KI ist die ZFU-Zulassung nur ein Mosaikstein unter anderen.
Sehr wichtig, um erst einmal dein Business abzusichern. Aber nicht ausreichend, um dein Business langfristig zukunftsfähig zu machen. Dafür braucht es anderes.
Ein paar Fragen, die dir als Initialzündung dienen können:
- Wofür willst du in Zukunft stehen? Wissensanbieter? Lösungsanbieter? Noch etwas anderes?
- Was wollen deine Kunden in Zukunft? Wissen? Lösungen? Noch etwas anderes?
- Mit welchen Angeboten willst du künftig unterwegs sein? Wissensvermittlung? Lösungsangebote? Sonstiges? Und wie passt das alles zueinander? Welche Rolle spielt die KI dabei?
- Was ist deine IP (Intellectual Property), die deinen einzigartigen Ansatz kennzeichnet? Wenn du ein Signature System hast, also deine ganz spezifische Methodik, dann hast du schon gute Grundlagen.
- Wie kannst du auf dieser Basis dein gesamtes Marketing so gestalten, dass du leicht von Menschen wie auch der KI gefunden wirst, dass du deine Besonderheit kenntlich machst und Vertrauen und Beziehungen aufbaust, so dass potenzielle Kunden dich schon gut einschätzen können und wissen, was sie bei dir bekommen? KI beeinflusst auch das Suchverhalten und die bisherigen SEO-Maßnahmen werden nicht mehr ausreichen. Eigene Frameworks und sonstige IP (Intellecual Property) können dich wiederkennbar machen (sehr wichtig für das Branding) als auch dich abheben von Wettbewerbern.
Du musst nicht sofort endgültige Antworten finden auf diese Fragen. Die Antworten dürfen reifen, während du erst einmal deine aktuellen Baustellen bearbeitest, ob sie das FernUSG betreffen oder anderes.
Auswirkungen auf die ZFU-Zulassung: Chance, aus dem Geltungsbereich des Gesetzes herauszuwachsen
Je nachdem, wie du dein Business mit einer zukunftsfesten Gesamtstrategie weiter entwickelst, kann sich eine Chance ergeben, aus dem Geltungsbereich des Gesetzes herauszuwachsen.
- Denn das Gesetz betrifft die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten: Wird das dein Kerngeschäft in Zukunft sein?
- Räumliche Trennung / asynchron: Wie wird das zu beurteilen sein, wenn deine KI deinen Kunden rund um die Uhr zum Sparring zur Verfügung steht?
- Lernerfolgskontrolle: Was ist, wenn es nicht ums Lernen als Vertragszweck geht, sondern um Lösungen für deine Kunden?
Wie diese Fragen zu beantworten sind, kann heute niemand sagen. Doch ich denke, es lohnt sich, sie zu stellen.
Ganz wichtig auf jeden Fall: Es geht nicht darum, das Gesetz zu umgehen. Das würde ohnehin nicht helfen (§8 FernUSG: Umgehungsverbot). Sondern es geht darum, nicht das Gesetz zum Maßstab aller Entscheidungen zu machen, sondern dein Business zukunftsfähig auszurichten, so dass es dir und deinen Kunden und deinem Business dient - und dabei natürlich rechtliche Vorgaben einzuhalten.
Lass uns gern in meiner Community weiter diskutieren. Und abonniere meinen Newsletter, um über Zukunftsthemen für langjährige Solopreneure auf dem Laufenden gehalten zu werden.
VGSD-Expertentalk am 06.08.2025: Ist dein Business mit Online-Coaching und Kursen jetzt gefährdet?
Ich freue mich sehr, dass der VGSD (Verband der Gründer und Selbstständigen) in dieser herausfordernden Situation die Selbstständigen unterstützt.
Am Mittwoch, den 06.08.2025, gibt es einen Expertentalk mit mir:
Gratis Experten-Talk am 6.8: Ist dein Business mit Online-Coaching und -Kursen jetzt gefährdet?
Dieser ist auch für Nicht-Mitglieder zugänglich. Falls du teilnehmen möchtest, melde dich bald an, da nur ein begrenztes Kontingent an Teilnehmerplätzen zur Verfügung steht.
PS: Da es so ein wichtiges Thema ist, habe ich mich entschlossen, dem VGSD beizutreten und mich dort für die Modernisierung des Gesetzes zu engagieren. Denn lt. Koalitionsvertrag ist diese vorgesehen und ich denke, wir sollten unser Möglichstes tun, damit die Interessen der seriösen Anbieter berücksichtigt werden.